Die Analyse klanglicher Phänomene in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit nimmt in der jüngeren Forschung nicht zuletzt durch Einflüsse aus dem Bereich der Sound Studies breiten Raum ein. Der Reiz der Frage nach Funktion und Bedeutung von Klang in vormodernen Texten liegt im kritischen Abarbeiten an einer doppelten Hypothek der Historisierung und Literarisierung von Klang. Unter Berücksichtigung literarischer Spezifik, antiker und mittelalterlicher Wahrnehmungstheorien und interdisziplinärer Perspektiven konnten hier bereits wichtige Forschungsergebnisse erarbeitet werden.

Bislang weitgehend außerhalb des Fokus der mediävistischen Sound Studies steht allerdings der gesamte Bereich der Kleinepik. Die rhetorisch-formalen und gattungstypologischen Spezifika der Kleinepik lassen freilich vermuten, dass hier ein auch für die Fokussierung akustischer Phänomene durchaus relevantes, sehr umfangreiches Textkorpus vorliegt: Das Ideal der brevitas macht grundsätzlich jedes geschilderte Klangereignis zu einem zentralen Moment, dem Funktion und Bedeutung für den Gesamttext zukommen dürfte. Hinzu kommen kleinepische Spezifika wie Prägnanz, Devianz, Kippfigur, Pointe, Exemplarität und Serialität, deren Interferenzen mit Klängen herausgearbeitet werden sollen.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für das Thema „Der Klang (in) der Kleinepik“ folgende Fragestellungen, die sicherlich erweiterbar sind:

  • Klangliche Spezifika: Welche spezifischen Klänge sind in bestimmten kleinepischen Textreihen dominant? Welche seriellen und intertextuellen Klangmotive prägen die Kleinepik? Welche literarischen Funktionen kommen ihnen zu? Welche Klangphänomene werden  i m  und  d u r c h  den Text greifbar?
  • Semantik: Ob der Schrei in der Märendichtung, der laute Furz im Schwank, der Gesang in der Fabel – Klänge sind in der Kleinepik semantisch denkbar unterschiedlich gefüllt. Welche klanglichen Bedeutungsspektren werden in welchen Textreihen wirkmächtig? Welche Bedeutungspotentiale werden einzelnen Begriffen zugeschrieben? Welche multisensorischen Interferenzen ergeben sich dabei?
  • Interferenzen von Klangereignis und Prägnanz: Wie verhalten sich kleinepische Klangereignisse zu dem für die Kleinepik fundamentalen Phänomen der Prägnanz? Welche Zusammenhänge von Klangereignis und Kippphänomen, Pointe und Exemplarität lassen sich feststellen?
  • Interferenzen von Klangereignis und Devianz: Die gezielte Überschreitung v.a. höfischer und (später) bürgerlicher Grenzen kennzeichnet weite Bereiche der schwankhaften Kleinepik. Inwieweit korreliert diese Tendenz zur (moralischen) Grenzüberschreitung auch mit einer klanglichen Dimension? Welche spezifischen Klänge kennzeichnen Grenzüberschreitungen?
  • Kleinepik als Klangereignis: Prosodie, Metrik, Rhythmik, ggf. Strophik, ggf. Melodie bestimmen die klangliche Dimensionen der Kleinepik selbst. Inwieweit können Aussagen über die Klanglichkeit auf Ebene der Performanz getroffen werden? Welche interpretativen Möglichkeiten ergeben sich aus der klanglichen Anlage der Texte?

Die wissenschaftliche Gesellschaft Brevitas veranstaltet zusammen mit der Professur für Germanistische Mittelalterforschung der Otto-Friedrich-Universität Bamberg vom 1. bis zum 3. Oktober 2025 einen Workshop zu diesem Thema. Geplant ist, Vorträge mit gemeinsamen Arbeits- und Diskussionsrunden zu kombinieren, so dass auch Lektüresessions zu vielversprechenden Primärtexten sowie sektionsübergreifende Round-Table-Gespräche stattfinden können. Entsprechend sind neben Forschungsvorträgen zum Klang in kleinepischen Texten auch Impulsvorträge zu spezifischen Klangphänomenen, speziellen Textgruppen oder Fragestellungen sowie Vorschläge für Lektüresessions und/oder Round Tables willkommen, um eine ergebnisoffene Diskussion zu ermöglichen.

Bitte reichen Sie bis zum 31.10.2024 Vorschläge für einen Forschungsvortrag (30 Minuten), einen Impulsvortrag (10 Minuten) oder Lektüresession bzw. einen Round Table in Form eines maximal einseitigen Abstracts ein oder bekunden Sie Ihr Interesse an einer Teilnahme (Mailadressen der Veranstalter siehe unten). Bitte geben Sie dabei auch deutlich an, für welches Format Sie einen aktiven Beitrag leisten möchten.

Kontakt:

christoph.schanze@uni-bamberg.de

silvan.wagner@uni-bayreuth.de

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